Vasile

Vasile verlor früh seinen Vater und wuchs bei Mutter und Stiefvater auf. Seine Schwestern verließen die Familie sehr früh, da der Stiefvater sie missbrauchte. Die Mutter trennte sich schließlich von ihm. Doch sehr überraschend verstarb sie eines Nachts – vermutlich an einem epileptischen Anfall. Vasile erwachte neben seiner erkalteten Mutter. „Ich habe noch nie so viel Angst gehabt“, sagte er später. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht rechtzeitig aufgewacht war, um seiner Mutter zu helfen.

Ein Mann bewarb sich um ihn als Pflegevater, nutzte ihn jedoch als Arbeiter aus. Vasile musste Schafe und Ziegen hüten, verbrachte seine Tage und Nächte auf den Weiden und konnte nicht durchgängig die Schule besuchen. Zuweilen schlief er im Unterricht vor Übermüdung ein. Er war einsam und hilflos und wollte nicht mehr leben; betete sogar zu Gott, dass ein Bär ihn töten solle.

In seiner Verzweiflung wandte er sich schließlich an die Behörden und wurde in ein Übergangsheim gebracht. Nun besuchte er wieder regelmäßig die Schule, wo er mit Ildiko, einem unserer Mädchen, in eine Klasse kam. Sie berichtete von dem traurigen Jungen, der fast nicht lesen und schreiben und daher auch dem Unterricht nicht folgen konnte. Über Wochen fragte sie, ob wir Vasile nicht aufnehmen könnten. Sie und die anderen hätten es hier schließlich so gut, vielleicht könnte man auch ihm helfen.

So kam Vasile 2011 im Alter von 14 Jahren zu uns und es ist unglaublich, was aus ihm geworden ist. Mittlerweile ist er ein ernsthafter junger Mann, der mit viel Eifer und Disziplin schulische Lücken aufarbeitet. Fußball ist seine Leidenschaft. Vasile ist durch sein stilles und stetes Wesen eine Bereicherung für seine Gruppe und ein Vorbild, was Zielstrebigkeit und Ordnung angeht. Das hat einigen der unruhigen und chaotischen Kinder gutgetan.

Nach Abschluss der Schule leistete Vasile ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer christlichen Organisation im Westen Rumäniens. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.

Vasiles Resümee: „Seitdem ich mit 14 Jahren in den Samariteanul (das Kinderheim) kam, bin ich glücklich. Gott hat sich meiner angenommen und ich habe ihm auch mein Leben gegeben. Hier habe ich eine richtige Familie gefunden.“

Gabriel

Eines Tages kontaktierte uns das Jugendamt und fragte, ob wir einen Platz für einen Vierjährigen hätten. Bei der Behandlung einer aktuellen Verletzung – eines doppelten Armbruchs und einer ausgekugelten Schulter – seien weitere unbehandelte Brüche aufgefallen, die sehr vermutlich Folgen häuslicher Gewalt seien. Daher könne das Kind nicht zurück zu seiner Familie. Er sei zudem stumm.

Gabriel kam mit eingegipsten Armen zu uns; wir stellten zudem fest, dass seine beiden Pobacken großflächig vernarbt waren. Vermutlich war er auf eine heiße Herdplatte gesetzt worden. Überraschend berichteten die Betreuerinnen nach kurzer Zeit, dass Gabriel wohl doch nicht stumm sei, sie hätten ihn nachts im Schlaf sprechen hören: Er habe laut geflucht und kenne erstaunliche Wörter. Selten freuten wir uns so sehr über unflätige Ausdrücke!

Gabriel hatte nachts schreckliche Alpträume. Maja betete für ihn und sie hörten schlagartig auf. Er ist heute ein sehr fröhliches, lebhaftes und sportliches Kind. Er interessiert sich für alles und begegnet Menschen sehr offen. Claudiu, ein gleichaltriger Junge aus dem Kinderheim, ist sein bester Freund. Die beiden sind unzertrennlich. Schule ist für Gabriel eine stete Herausforderung, viel lieber tobt er mit den anderen Kindern auf dem Hof herum.

Reli

Reli kam als jüngstes von sechs Geschwistern im Alter von zwei Jahren zu uns. Die Eltern waren trotz praktischer und finanzieller Hilfe durch den ASM überfordert, sodass das Jugendamt schließlich anordnete, dass die Kinder in einem Heim unterkommen sollten. Sie waren vernachlässigt, nur spärlich bekleidet, lebten unter extremer Verwahrlosung.

Alle Kinder blieben bei uns, bis sie erwachsen waren. Reli ist ein heute ein freundlicher, fröhlicher und selbstbewusster Teenager. Die Schule macht ihr wenig Mühe. Wir sind zuversichtlich, dass sie ihr Abitur schaffen wird, und sind gespannt, wie sie ihren weiteren Weg gehen wird.